Gegen Sie wurde ein Haftbefehl erlassen, Sie bzw. eine Ihnen nahestehende Person sind festgenommen worden?

Zunächst sollten Sie wissen, was die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls sind.

Erforderlich ist zunächst der so genannte „dringende Tatverdacht“. Dieser wird in Literatur und Rechtsprechung wie folgt definiert: „Ein dringender Tatverdacht ist dann gegeben, wenn nach dem Stand der Ermittlungen eine große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Beschuldigte als Täter oder Teilnehmer einer Straftat anzusehen ist“.

Des weiteren ist für einen Haftbefehl ein so genannter Haftgrund erforderlich.

Die Strafprozessordnung kennt folgende Haftgründe:

  • Flucht oder Fluchtgefahr

  • Verdunklungsgefahr

  • Wiederholungsgefahr

  • Tatverdacht bezüglich eines Kapitaldelikts

Fluchtgefahr besteht, „wenn nach den Umständen des Einzelfalls wahrscheinlicher ist, dass der Beschuldigte sich dem Verfahren entzieht, als dass er sich ihm stellt“. Dies wird umso eher angenommen, je geringer ihre sozialen Bindungen an ihre Meldeadresse sind. Haben Sie bspw. hier Familie und Arbeit, wird dieser Haftgrund selten angenommen. Haben Sie dagegen zum Beispiel Familie im Ausland oder haben in Deutschland keinen festen, gemeldeten Wohnsitz, wird der Haftgrund Fluchtgefahr wahrscheinlich angenommen werden.

Verdunklungsgefahr wird angenommen, wenn „zu erwarten ist, dass der Beschuldigte die Ermittlung der Wahrheit erschweren werde“. Dies wird angenommen, wenn die Ermittlungsbehörden davon ausgehen, dass Sie Beweise fälschen oder verschwinden lassen könnten, Zeugen manipulieren oder ähnliches.

Wiederholungsgefahr wird angenommen, wenn der Beschuldigte eine der in § 112a Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StPO aufgezählten Anlasstaten begangen hat.

§ 112 a Abs. 1 zählt schwere Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung auf (§§174, 174a, 176 – 179 StGB sowie das „Stalking“) auf. Bezüglich der Sexualstraftaten genügt laut Bundesverfassungsgericht bereits eine einmalige Begehung, um die Wiederholungsgefahr zu begründen.

Daneben enthält § 112 a Abs. 1 Nr. 2 StPO einen Katalog von Straftaten, von denen die Kriminologie annimmt, dass sie oftmals von Serientätern begangen würden. Die dortige Aufzählung ist abschliessend. Erfasst werden hier unter anderem Körperverletzungsdelikte, Diebstahl im besonders schweren Fall, Betrug, Raub sowie bestimmte Betäubungsmitteldelikte.

Bezogen auf alle Taten gilt, dass zusätzlich bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen müssen, der Beschuldigte werde ohne die Anordnung von Haft weitere erhebliche Straftaten gleicher Art begehen oder die Straftat fortsetzen.

Hinsichtlich der in Nr. 2 genannten Delikten, den „Serientäterdelikten“ wird weiter gefordert, dass der Täter schon wiederholt eine solche Tat begangen hat oder ohne die Haft die Tat fortsetzen würde. Gefordert wird dabei, dass das Delikt zwei mal durch jeweils „selbstständige Handlungen“ begangen wurde.

Ein weiterer Haftgrund ist der Tatverdacht bezüglich eines Kapitaldelikts.

Hier genügt für eine Inhaftierung bereits die Schwere der in § 112 Abs. 3 StPO aufgezählten Taten. Hierzu gehören unter anderem Mord, Totschlag oder schwere Brandstiftung.

Allerdings muss eine behördliche Maßnahme auch immer verhältnismäßig sein, das bedeutet, die Maßnahme darf nicht außer Verhältnis zu ihrem Zweck stehen und zum Schutz der öffentlichen Interessen unerlässlich sein. Dies gilt prinzipiell für alle Haftgründe. Hieran wird es in der Praxis in der Regel aber nicht scheitern, auf Grund der hohen Straferwartung ist ein Fluchtanreiz bspw. so hoch, dass eine Behörde wohl auch ebenso gut einen Haftbefehl auf den Haftgrund der Fluchtgefahr stützen kann.

Eine praktisch sehr relevante Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist die Möglichkeit der Haftverschonung gemäß § 116 Abs. 1 StPO.

Hiernach kann der Vollzug eines Haftbefehls ausgesetzt werden, wenn weniger einschneidende Maßnahmen ersichtlich sind, die den Zweck der Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr auch erreichen können.

Auflagen, die die Haft ersetzen können, können zum Beispiel sein:
- Auflagen und Weisungen hinsichtlich des Aufenthaltes;

- Meldepflicht bei der Polizei

- Abgabe des Reisepasses

- Stellung einer Kaution u.ä.

Grundsätzlich stehen ihnen gegen die Anordnung der Untersuchungshaft zwei Anfechtungsmöglichkeiten zur Verfügung.

Dies ist zum einen die Haftprüfung nach § 117 StPO.

Während der Haft kann der Beschuldigte jederzeit einen Antrag auf Haftprüfung stellen. Vom Richter, der den Haftbefehl erlassen hat, ist dann zu überprüfen ob der Haftbefehl aufrecht erhalten werden kann.

Hierzu findet eine mündliche Verhandlung statt. Dies hat den Vorteil, dass der Richter sich persönlich ein Bild von Ihnen machen kann. In der Verhandlung wird dann geprüft, ob dringender Tatverdacht und ein Haftgrund gegeben sind.

Alternativ kann gegen den Haftbefehl Beschwerde eingelegt werden.

Auch in diesem Fall wird wie bei der Haftprüfung überprüft, ob die Voraussetzungen des Haftbefehls noch vorliegen. Die Haftprüfung ist allerdings vorrangig. Solange ein Antrag auf Haftprüfung gestellt und nicht beschieden ist, kann keine Haftbeschwerde eingelegt werden. Der Grund für die Nachrangigkeit der Haftbeschwerde gegenüber der Haftprüfung liegt darin, dass die Haftprüfung ein eigenständiges Prüfungsverfahren ist und gegen die in diesem Prüfungsverfahren ergangene Entscheidung die Beschwerde statthaft bleibt.

Ich berate Sie gerne in allen Haftfragen.